Kamerageflüster

Eine Retro-Linse: Das TTartisan 100mm f/2,8

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TTartisan hat ein neues Objektiv auf den Markt gebracht. Es handelt sich um das 100mm f/2,8 (siehe Bild oben ↑). Wenn ich nicht irre, war die Markteinführung im August 2023. Die Retro-Linse habe ich mir nach unserem Sommerurlaub in Hessen beim Hersteller bestellt. Warum? Genau so wie beim legendären Trioplan 100mm f/2,8 von Meyer Görlitz (Preis ca. 1.000 Euro plus) zaubert auch das TTartisan (Preis beim Kauf: 175 Euro) ein traumhaft schönes Seifenblasen-Bokeh. Das Bokeh des TTartisan ist besonders, lebendig und zeigt ganz viel Retro-Charakter. Solch ein Bokeh möchte ich zeitweise gerne haben, auch wenn das Objektiv nicht vor Schärfe strotzt und die Aufnahmen damit von dem “perfekten” Bild weit entfernt sind. Weg vom modernen, oft technisch einwandfrei wirkenden Bokeh, hin zu altem Charme. Dies wirkt vor allem in der Natur- und Porträtfotografie sehr gut, trifft aber nicht jedermanns Geschmack.

Hinweis:
Alle Beispielbilder wurden mit der Canon EOS R10 und dem per Adapter M42 auf Canon RF angebrachten TTartisan 100mm f/2,8 fotografiert. Die Blendeneinstellungen variierten und lagen bei f/2,8 – f/5,6 – f/8 und f/11. Alle Beispielbilder sind unbearbeitet und werden Euch so gezeigt, wie sie von der SD-Karte kamen. Kein Nachschärfen, keine intensivierten Farben, kein Entrauschen u. s. w.

Die Blende für dieses Bild lag bei f/8 ↓

Die Blende für dieses Bild lag bei f/2,8 ↓

Das 100mm f/2,8 von TTartisan verfügt über ein M42-Schraubgewinde. Mithilfe eines entsprechenden Adapters kann es auf (fast) allen digitalen Kameras (Vollformat sowie APS-C) eingesetzt werden. Natürlich kann es auch an alten M42-Kameras Verwendung finden. Da das Objektiv äußerst Gegenlicht empfindlich ist, ist es ratsam, eine Gegenlichtblende (mit Schraubgewinde) einzusetzen.

Das legendäre Bokeh:
Das Seifenblasen-Bokeh wurde durch verschiedene Objektive von Meyer Görlitz bekannt, z. Bsp. durch das Primoplan 75mm f/1,9 oder das Trioplan 50mm f/2,8. Ein Seifenblasen-Bokeh zauberndes günstiges Objektiv von Meyer Görlitz ist das Telemegor 180mm f/5,5, das gebraucht bereits zwischen 60 und 90 Euro erworben werden kann.
Aber nichts geht über das Trioplan 100mm f/2,8 von Meyer Görlitz, dem King Of Bubble Bokeh. Dieses Objektiv war im Zentrum scharf und zauberte ein wunderschönes Seifenblasen-Bokeh, das jedoch in früheren Zeiten als minderwertig angesehen wurde. Man sagte darüber, dass es ein optischer Fehler sei und machte sich darüber lustig. Doch mittlerweile gibt es das Trioplan 100mm f/2,8 als Version II und das Seifenblasen-Bokeh hat sich zu einem durchaus erwünschten und beliebten Effekt gemausert.

Die Blende für dieses Bild lag bei f/2,8 ↓

Während man bei Objektiven von Meyer Görlitz gerne auch mal tiefer in die Tasche greifen muss, hat TTartisan einen sehr preisgünstigen Eigenbau an den Start gebracht und damit das Trioplan 100mm f/2,8 nachgebaut – inklusive dem legendären Bubble-Bokeh. Das TTartisan wiegt 318 Gramm und hat einen Filterdurchmesser von 49mm. Die Naheinstellgrenze liegt bei 0,9m (ebenso wie beim Trioplan von Meyer Görlitz) und es verfügt über insgesamt 13 Blendenlamellen. Die Brennweite, äquivalent zu KB, beträgt 150mm (bei APS-C). Die größte Blende ist f/2,8 und die kleinste Blende ist f/22. Die Optik von TTartisan hat einen Durchmesser von 58mm und eine Länge von 80mm. Sie verfügt über ein 3-Linsen-System.

Wer das TTartisan in Händen hält, dem wird sicherlich die gute Verarbeitung des robusten Metallgehäuses positiv auffallen. Die Haptik der Retro-Linse ist top. Sie lässt sich kinderleicht und bequem bedienen, die Blende rastet zuverlässig ein. Was mir allerdings negativ aufgefallen ist, ist dass die Schrift in der Mittellinie der Optik von TTartisan verdreht ist (siehe Bild unten ↓). Zwar kann ich das Objektiv bedienen, aber ich muss die Kamera jedes Mal ins Hochformat nehmen, um zu sehen, bei welcher Blende ich angekommen bin. Das ist nicht so schön.

Aber dafür gibt es eine Lösung: mein M42 auf EOS R Adapter verfügt über drei kleine Schrauben, die mit entsprechendem Werkzeug etwas gelöst werden können. Im nächsten Schritt muss ich dann nur noch das Zentrum des TTartisan’s so drehen, dass es mittig sitzt und die Schrift von oben lesbar ist. Die Schrauben wieder festdrehen und alles ist gut (siehe Bild unten ↓).

Der Ring zum Scharfstellen ist schwergängig. Das ist als positiv zu betrachten, denn es beugt einem versehentlichen Scharfstellen vor. Zudem kann an der Optik die Hyperfokaldistanz gut abgelesen werden (anhand der aufgedruckten Blendenbereiche). Der Ring zum Einstellen der Blende ist leichtgängiger. Er öffnet und schließt die Blende und ist für das Seifenblasen-Bokeh mit verantwortlich. Altmodisch in Bezug auf die Handhabung sind die aus Metall gefertigten Abdeckungen für die Vorder- bzw. Rücklinse der Optik. Sie haben ein Gewinde und werden aufgedreht. Dieser Retro-Charme gefällt mir aber.

Lest gerne auf der Seite 2 weiter, wenn ihr meinen Bericht über das TTartisan interessant oder lesenswert findet. Danke!

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10 Kommentare

  • Andreas

    Ein interessantes Objektiv, dass Du nicht hättest vorstellen sollen. Denn jetzt bin icgh wieder schwer erkrankt an dem HWV, der H aben W ill V irus.
    OK, im Ernst, tolles Objektiv, tolle Bilder, toller Bericht, den ich gerne bis zum Schluss gelesen habe.
    Wer sich so ein Objektiv kauft und technische Perfektion grad in Bezug auf Schärfe will, dem ist nicht zu helfen, denn er macht – oder denkt – was falsch.

    Gruß
    Andreas

    • Sandra

      @Andreas:
      Lieber Andreas!
      Was das HWV ist, hätte ich sogar gewusst, denn auch ich leide unter diesem Virus *lach*. Es ist einfach fürchterlich, dagegen hilft keine Medizin *traurigguck*. Ich fühle mich geehrt, dass Du den gesamten Beitrag bis zu seinem Ende gelesen hast. Vielen lieben Dank. Da hat sich meine Zeit, Arbeit und Mühe ja schon gelohnt. Richtig: von technischer Perfektion ist das TTartisan 100mm f/2,8 weit entfernt, doch gerade das ist das für mich Reizvolle daran. Wir streben alle irgendwie nach Perfektion, auch in der Fotografie, und ich schwimme einfach mal gegen den Strom. Das ist auch mal schön *lach*.

      Ich bin mal sehr gespannt, ob Du dem HWV unterlegen bist oder ob Du Dich hier noch zurückhalten kannst *lach*. Im Übrigen ist das Objektiv nur über den Hersteller TTartisan käuflich zu erwerben, wenn ich korrekt informiert bin. Denke an ggf. anfallende Zollgebühren, solltest Du es kaufen wollen.

      Viele Grüße, Sandra!

      • Andreas

        Hallo Sandra

        Ich werde versuchen mich start zurück zuz halten, da ich erstmal auf ein größeres Telezoom hinarbeiten möchte.
        Was die technische Perfektion betrifft, daher arbeite ich auch gerne mal analog, das ist aus Heutiger Sicht weit von Technischer Perfektion entfernt 😀

        Gruß
        Andreas

        • Sandra

          @Andreas:
          Lieber Andreas!
          Ja, man kann eben nicht alles haben, das stimmt wohl. Da muss man schon Prioritäten setzen! Technische Perfektion kann in meinen Augen auch auf Dauer langweilig sein *knipsauge*. Von der Norm abweichen finde ich interessant!

          Viele Grüße, Sandra!

  • Elke (Mainzauber)

    Liebe Sandra,
    das ist ein wirklich interessantes Objektiv. Ich mag das Seifenblasenbokeh nicht so sehr, aber manchmal passt es einfach. Ich sehe, dein Beitrag zieht sich über drei Seiten. Das werde ich mir heute Abend noch mal ausführlich zu Gemüte ziehen. Deine Schriftfarbe ist jetzt sehr gut zu lesen!!! Ich bin begeistert, danke. Es gibt bei einer neuen Seite ja so viel zu beachten. Heute schiebe ich mal wieder etwas Frust, aber ich habe nochmal viel dazugelernt. Und manches braucht man ja auch nicht wirklich. Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu viel will.
    Herzliche Grüße – Elke

    • Sandra

      @Elke (Mainzauber):
      Liebe Elke!
      Das ist ein interessantes und gleichzeitig auch erschwingliches Objektiv *lach*. Ich liebe das Seifenblasen-Bokeh, aber das weißt Du ja als treue Leserin dieses Blogs. Ich finde, vor allem in der Natur und bei Porträts wirkt es sehr gut, sofern es vom eigentlichen Motiv nicht zu sehr ablenkt. Ich freue mich, dass Dir die Schriftfarbe nun zusagt. Wenn ich weiß, was ich verbessern kann, dann bin ich gerne dazu bereit, es zu tun. Ich muss nur darauf hingewiesen werden, ansonsten kann ich ja nicht ahnen, wo der Schuh drückt *grins*. Also: danke für den Hinweis! Das Ding mit dem “zu viel wollen” kenne ich seeehr gut. Aber, so wie ich Dich kenne, wirst Du das Ding schon rocken!

      Viele Grüße, Sandra!

    • Sandra

      @Frau Momo:
      Liebe Frau Momo!
      Ich bin da voll und ganz Deiner Meinung: die Bilder haben einen ganz eigenen Charme. Ich mag das TTartisan, weil es im Gegenteil zu den aktuellen technisch einwandfreien und “alglatten” Objektiven eben etwas in die Fotografie einbringt, das so eigentlich nur sehr wenige Fotografen wirklich noch wollen: Flairings, jede Menge Seifenblasen und den Retro-Charakter.

      Wenn ich das Internet durchstöbere und Bilder von anderen (Hobby)fotografen betrachte, frage ich mich manchmal schon: “Wieso ist alles so perfekt?” So ein kleines bisschen vermisse ich die Nostalgie in den Bildern schon. Wenn ich mich dann hinsetze und meine privaten Fotoalben von früher durchstöbere und die Bilder meines Patenonkels sehe, der damals mit einer Minolta fotografiert hat, dann gerate ich schon ins Schwärmen. Diese Bilder haben Wärme, Charme und ganz viel Charakter, gerade weil sie eben weit weg sind von allem so Modernen.

      Irgendwie streben wir alle nach Perfektion, in nahezu allen Bereichen, auch in der Fotografie. Es muss immer alles passen und möglichst ohne Fehler sein. Da spricht man vom “goldenen Schnitt”, von “Unter’m Knie schneide nie!” und von weiteren Regeln. Mein Patenonkel war sicherlich kein schlechter Fotograf, aber an Regeln hielt er sich damals nie. Er hat fotografiert, so wie es ihm gefiel. Er scherte sich nicht um das, was gerade modern war und hatte damit Erfolg. Und wenn ich seine Bilder heute betrachte, fällt mir als Erstes sicherlich nicht auf: “Oh leck, das Bild ist aber dunkel geworden.” oder “Mein Gott, ist das schlecht fokussiert.”

      Viel mehr springt mir seine Begeisterung für die Fotografie ins Auge, die liebevolle Auswahl des Motivs und sein ganz eigener Stil, mit dem er damals seine Fotografien angefertigt hat. Seine Bilder hatten das “gewisse Etwas”, auch wenn sie (nicht oft) allen fotografischen Regeln entsprochen haben. Ich wünschte, das gäbe es noch heute – doch, ob das (noch) einer sehen möchte, ist fraglich.

      Viele Grüße, Sandra!

    • Sandra

      @Fraukografie:
      Liebe Frauke!
      Ui, das mit dem Kaffee und dem Kuchen ging jetzt aber flott (siehe mein Kommentar bei Dir *lach*). Kaum bei Dir kommentiert, warste schon bei mir. Das lobe ich mir *grins*. Das Bokeh ist wirklich bezaubernd, finde ich auch. Die Sache mit der Schärfe, ja. Also man muss sich echt Zeit lassen beim Fokussieren und auch mal länger beim Motiv verweilen. Einfach so mal schnell was fotoknipsen is’ beim TTartisan nich’, da macht es net mit. Wenn man sich aber auf sein Motiv konzentriert und mit Fokus-Peaking arbeitet, dann kann es schon mit der Schärfe klappen. Man muss sich halt echt Mühe geben bei dem manuellen Schätzchen.

      Viele Grüße, Sandra!

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